Hilfe - ich kann nicht zeichnen!

Den Aufruf „ich kann einfach nicht zeichnen!“ habe ich immer wieder in meinen Kursen gehört. Und wenn ihr euch mal in eurem Freundeskreis umschaut werdet ihr sehr schnell erkennen, dass die meisten Erwachsenen nicht besser als Kinder zeichnen. Doch woran liegt es, dass wir mit zunehmendem Alter nicht automatisch „realistischer“ zeichnen?
Die Antwort ist sehr einfach: Weil wir es nicht üben! Zeichnen ist genauso ein Handwerk wie Möbel bauen oder Autos reparieren. Aber keiner von uns würde von sich erwarten, dass er mal eben eine Kommode schreinert oder den Vergaser eines Fahrzeugs austauscht. Beim Zeichnen sieht das anders aus, weil wir alle als Kinder es immer wieder umgesetzt haben. Nur kam es dort eben nicht auf eine möglichst realistische Darstellung an. Kinder zeichnen und malen so, wie sie es empfinden. Daher lassen sie auch gerne mal einen Hintergrund weg oder malen Dinge, die ihnen wichtig sind, unrealistisch groß. Papa und Mama können so schon mal ein Haus überragen. 
Zeichnen ist zu einem großen Teil ein motorischer Vorgang und muss daher wie die Handbewegungen beim Möbelbau erlernt werden, wenn eine wirklich realistische Darstellung das Ziel sein soll. Wer also fleißig jeden Tag übt, wird bemerken, dass er tatsächlich besser wird. Natürlich sind dem künstlerischen Ausdruck durch das jeweilige Talent Grenzen gesetzt. Doch diese Grenzen können wirklich sehr weit ausgedehnt werden! 
Genau wie bei einer Handwerkslehre solltet ihr auch beim Zeichnen darauf achten, mit den Grundtechniken zu starten. Es gibt tausende von Jugendlichen, die sofort mit einem Portrait beginnen wollen und dann rasch frustriert aufgeben. Das ist so ähnlich als wollten sie von einem Tag auf den anderen eine Kommode mit Schublade und Türen bauen! 
Übt schraffieren, punktgenau radieren, den Einsatz unterschiedlich harter Bleistifte für unterschiedlich dunkle Stellen, versucht euch an fließenden Übergängen zwischen verschiedenen Tonwerten, lernt alles über die Proportionen des menschlichen Körpers und Gesichts - und nach einigen Wochen werdet ihr erfreut feststellen, dass eure Zeichnungen plötzlich realistischer wirken.
Ihr findet in einem weiteren Beitrag von mir übrigens noch einen wichtigen Tipp, wie ihr nach der ersten Übungsphase auch kompliziertere Vorlagen zeichnerisch angehen könnt. 
Beim Üben, Lernen und Ausprobieren wünsche ich euch viel Freude!