Warum abstrakt nicht einfach ist...

Die meisten Menschen denken, abstrakte Malerei bedeutet nur, Farbe willkürlich auf die Leinwand zu bringen. Doch spätestens, wenn man die ersten solcher "einfachen" Versuche startet wird deutlich, dass diese Kunstform doch nicht so simpel ist, wie gedacht: Die Bilder sehen irgendwie schauderhaft aus!

 

Der Grund dafür ist einfach: Wie in jedem Handwerk (und Kunst zählt eindeutig auch dazu!) gehören zum Können die Fertigkeiten, mit seinem Werkzeug und Material umzugehen. Das bedeutet, dass ohne Kenntnisse über Farbharmonie, Trans-parenz von Farben, Mischergebnisse, Farbenkreis etc. abstrakte Bilder immer mehr oder weniger ungelenk wirken. Sicherlich kann es passieren, dass durch die "einfach-auf-die-Leinwand-bringen" Methode ein tolles Motiv entsteht. Doch wird das eine Ausnahme bleiben. Viele wissen übrigens nicht, dass die Malerei erst seit dem ca. 17./18. Jahrhundert eine eigenständige Kunstform ist. Davor war es tatsächlich ein Handwerk mit einer entsprechenden Zunft, in dem die erforderlichen Fertigkeiten gelehrt und gelernt wurden.

 

Abstrakte Kunst wird auch oft mit dem "seine-Gefühle-zum-Ausdruck-bringen" in Verbindung gebracht. Doch auch hier steht mangelnde Kenntnis über das Handwerkzeug einem befriedigendem Ergebnis im Weg. Es wäre so, als wenn ihr ganz ohne Übung "aus dem Bauch heraus" ein Auto fahren wolltet. Kunst und Autofahren verbindet, dass das Wissen über die Handhabung der Werkzeuge Voraussetzung für ein intuitives Benutzen ist. Erst, wenn ich ausreichend Kunst "geübt" habe, verinnerliche ich diese Bewegungen und Informationen so weit, dass ich ohne Nachzudenken darauf zurückgreifen kann. Das Wissen steht mir also nicht im Weg, sondern erlaubt mir im Gegenteil, meine Gefühle perfekt zum Ausdruck zu bringen. 

 

Wenn wir uns die Biografien berühmter abstrakt malender Künstler anschauen, dann sehen wir eindeutige Beweise für diese Annahme: Gerhard Richter, Pablo Picasso, Hilma af Klint - sie alle konnten "perfekt" malen. Und genau dieses Wissen haben sie später genutzt, um die Bahnen des Gegenständlichen zu verlassen und wunderbare abstrakte Bilder zu schaffen. Wenn ihr also auch eure Motive auf ein neues Niveau heben wollt, dann beschäftigt euch doch einmal mit den Grundlagen der gegenständlichen Malerei. Ich bin sicher, dass ihr mit einiger Übung plötzlich unerwartet tolle abstrakte Werke schaffen könnt. Ich wünsche euch viel Freude bei diesem kreativen Weg.